Regierungsbilanzen und Polizeibesuch – Kubicki redet im Scandic

28. Mai 2010 | Von Susanne | Kategorie: Aktionen | Letzte Änderung: 3. Juni 2010 um 03:06 Uhr

Die Schlange war lang vor dem Konferenzraum Stockholm 3 im Scandic-Hotel, wo sich der Verband der Selbstständigen und Freiberufler e.V. versammeln wollte, um einen Vortrag von Landtagsmitglied Wolfgang Kubicki zu hören. Um “Mittelstand in Zeiten von Kreditklemme und Finanzkrise” sollte es gehen. Im Auditorium fanden sich allerdings nicht nur Freiberufler: Rund 30 Vertreter der Studierendenschaft hatten sich unter die Zuhörer gemischt, ursprünglich mit dem Ziel, durch unbequeme Fragen aufzufallen, eventuell rausgeworfen zu werfen und draußen vom dort wartenden studentischen Mob empfangen zu werden. Doch möglicherweise hatte Kubicki schon mit dieser Art von Besuch gerechnet hatte. So ließ er gleich zu Beginn seiner Rede verlauten, dass er sich am Ende jeder Frage stellen werde.
Zunächst begann er seinen Vortrag wie geplant. Betonte, dass die Krise ohne Wirtschaftswachstum nicht zu bewältigen sei. Bei einem realen Wachstum von 3,5 Prozent sei dies kein Problem, de facto sei dies aber niemals möglich. Zudem sehe die Schuldenbremse vor, dass ab dem Jahr 2020 keine neuen Schulden mehr in die Etatplanung einfließen dürften. Hierfür muss das Land jährlich 125 Millionen Euro sparen, bei einem Nettoetat von 8,5 Millionen und derzeit 25 Milliarden Euro Schulden. Das Paket, das die Haushaltsstrukturkommission vorgeschlagen hat, ist also unumgänglich, wobei Kubicki betonte, dass jedes einzelne Paket verhandelbar sei, so lange das Gesamtvolumen das gleiche bleibe.
Um zu sparen gebe es mehrere Möglichkeiten. Ziel der Regierung sei es, den Mittelstand langfristig zu stärken, anders wären die finanziellen Ziele nicht konsolidierbar.

Die ersten zwanzig Minuten des Vortrags waren schlecht und hastig vorgetragen und teilweise abgelesen. Stimmung kam auf als Kubicki in einem Nebensatz anfing, dass die Pläne ja nur die Medizin beträfen. Linda Krause erhob erstmalig ihre Stimme und wies den FDP-Fraktionsvorsitzenden darauf hin, wie eng alle Studiengänge an unserer Uni verknüpft sind. Dies war der Startschuss für die Frage-Antwort-Runde. Anfänglich blockte Kubicki noch, es sei nicht seine Aufgabe zu erklären, warum die Uni auf der Giftliste stehe. Es waren 35 Minuten vergangen, als er mit einer designierten Handbewegung seine Brille aufs Pult legte. Der Teil des Vortrags, den er ablesen konnte, war offensichtlich beendet.
Doch – ganz Politiker – begann er, die Schuld von sich zu schieben. Darauf angesprochen, dass sich die Lübecker Bürgerschaft geschlossen (!) hinter die Universität gestellt habe, lenkte er ab: Lübeck solle sich erstmals selbst in die Pflicht nehmen. “Ich würde dem Stadtrat in Lübeck empfehlen, zuerst seine eigenen Probleme zu lösen.”
Um 20.15 Uhr sind auch im Konferenzraum die Trillerpfeifen zu hören und nach einer längeren Ansprache von Dr. Frank Niebuhr, der den Lehrauftrag der Uni für Allgemeinmedizin hat, über die tatsächliche Situation, über Professoren, die abwandern werden und Gelder, die nicht mehr beantragt werden können, gehen Kubicki langsam die Argumente aus.

Prof. Hauke Paulsen aus der Physik will die Politiker in die Pflicht nehmen: Wenn er die ganze Zeit davon rede, alles sei diskutierbar, solle er sich auch den Studenten und der Verwaltung stellen. “Ihr Kollege Austermann hatte vor fünf Jahren wenigstens das Format, sich auf dem Koberg den Demonstranten zu stellen und öffentlich auspfeifen zu lassen.”
In der Zwischenzeit hat eine Verantwortliche des VSF auf Herbeiwinken eines Hotelangestellten den Raum verlassen, der Pressesprecher folgt. Während die Tür offen steht, hört man laute Pfiffe, Klatschen und Rufe. Der Pressesprecher kommt zurück, einen Polizisten im Schlepptau, der mit Kubicki eine Unterhaltung vor der Hintertür führt. Als die beiden zurück kommen, betont Kubicki, dass er sich den Demonstranten stellen wird.
Die Diskussion wird fortgesetzt und von anderer Stelle wird betont, dass das Fraunhofer-Institut verlauten hat lassen, dass der Standort Lübeck unattraktiv werde, wenn es keine Universität mehr gebe. Wie bereits an anderen Stellen schien Kubicki auch hier gänzlich uninformiert. Er meine zwar, der Wegfall der Fraunhofer käme nicht in Frage, falls dies jedoch der Fall sein sollte, wäre dies ein gewichtiges Argument.
Je länger diskutiert und gefragt wird, desto mehr schwindet Kubickis Sicherheit. Als die Fragen beginnen, sich im Kreis zu drehen, bricht Dieter Hagelstein, der Verbandspräsident des VSF, ab. Er bedankt sich jedoch bei den anwesenden Studenten, dass sie diese Plattform genutzt haben, um ihre Meinung kund zu tun und dies auf so friedliche Art und Weise getan haben. Der Vortrag ist beendet und Kubicki stellt sich vor dem Hotel tatsächlich der Menschenmasse.

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Ein Kommentar
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  1. …”dass das Fraunhofer-Institut verlauten hat lassen, dass der Standort Lübeck unattraktiv werde, wenn es keine Universität mehr gebe. Wie bereits an anderen Stellen schien Kubicki auch hier gänzlich uninformiert. Er meine zwar, der Wegfall der Fraunhofer käme nicht in Frage, falls dies jedoch der Fall sein sollte, wäre dies ein gewichtiges Argument.” (=> schon irgendwie peinlich diese Uninformiertheit…)

    Das wäre eine Katastrophe wenn das Fraunhofer- Institut sich zurückzieht – hier sind möglichst schnell Informationen und klare Aussagen erforderlich.
    Birgit Frank, Sieverstedt