Studentenaufmarsch vor dem Scandic Hotel

28. Mai 2010 | Von Sylvia | Kategorie: Aktionen | Letzte Änderung: 3. Juni 2010 um 03:05 Uhr

Während Dr. Wolfgang Kubicki noch nichts ahnend mit seinem Vortrag auf der Versammlung des Verbandes der Selbständigen und Freiberufler e.V. beschäftigt war, sammelten sich am 27. Mai 2010, um kurz vor zwanzig Uhr, die ersten Studenten vor dem Scandic Hotel am Gustav-Radbruch-Platz in Lübeck. Am Vortag war bereits bei der öffentlichen Sitzung des Senats der Universität zu Lübeck aus dem Zuschauerraum angemerkt worden, dass Kubicki in Lübeck sein würde. Dies bot den Studierenden die Möglichkeit ein erstes direktes Zeichen zu setzen. Man rief also noch mitten in der Nacht zum 27. Mai über den Studentenverteiler der Uni dazu auf, Kubicki zu zeigen, welche Meinung die Studierendenschaft von den Plänen der Landesregierung für die Universität zu Lübeck hat.

Entgegen der Erwartung der Initiatoren, diese spontane Protestaktion würde eher klein ausfallen, fanden immer mehr Studenten und Unimitarbeiter zum Scandic. Bereits kurz nach zwanzig Uhr war der Mob vor dem Hotel auf fünfhundert Mann angewachsen. Parolen wie „Bei den Banken seid ihr fix, für die Uni tut ihr nix!“, „Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Uni klaut!“ und „Kämpfen Lübeck, kämpfen!“ heizten die Stimmung der Menge auf und nachdem Kubicki nach einer Stunde immer noch nicht vor die Menge trat, um sich ihren Fragen zu stellen, auch „Wir woll’n Kubicki sehn“.

Zunehmend kamen auch Vertreter der Presse dazu. Was mit Fotographen begann und auch den NDR zunächst mit Mirko anlockte, führte letztendlich zu einem kleinen Kamerateam. Die Proteste blieben während der gesamten Aktion friedlich, so dass die Polizei am Ende keinen Anstoß nahm, als spontanen entschlossen wurde, die Demonstration quer durch die Stadt fortzusetzen.

Aber zunächst stellte sich Kubicki doch noch den Studenten, die standhaft vor dem Hotel verweilten und Parole um Parole grölten. Ein lauter Aufschrei des Missfallens ging durch die Menge bevor Kubicki zu Wort kommen konnte. Man hoffte auf Eingeständnisse, doch klang alles was der FDP-Fraktionsvorsitzende sagte nur wieder wie abgedroschene Phrasen. Jedem, der vor diesem Hotel stand war klar, dass das Land sparen muss und dass unbequeme Einsparungen nötig sein werden. Auf Unverständnis trifft jedoch nach wie vor die Tatsache, dass es Spitzenbildung treffen soll und viel mehr noch, die drastischen Folgen, die damit verbunden sind, da mit dem Sterben der Medizin in Lübeck auch die Uni stirbt und das Land sich mit diesem Schritt selbst eines profitablen, wachsenden Wirtschaftsstandorts beraubt. Nachdem Kubicki gegen Ende des Wortgefechts mit den Studenten eindeutig die Argumente ausgingen, vertröstete er diese auf einen weiteren Besuch in Lübeck in den kommenden Wochen, war aber durchaus bereit sich einem erneuten Gespräch mit den Studenten zu widmen. So drückte Kubicki dem StuPa-Vorsitzenden Niklas Finck noch schnell seine Visitenkarte in die Hand, bevor er den Dialog zwischen sich und dem Mob für beendet erklärte, blieb aber noch tapfer für Fragen von Einzelnen.

Die Menge nahm das freundliche Angebot der Polizei an, auf dem Weg begleitet zu werden und wurde fortan von je einem Wagen am Anfang und Ende des Protestzuges vor Verkehr gesichert. Gemeinsam mit immer mehr Passanten zog der nun schon fast siebenhundert Mann starke Zug Richtung Altstadt. Erneut hörte man die Studenten laut rufen „Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Uni klaut!“ und fordern „Runter von der Liste!“. Das Burgtor wurde durchquert, entlang der Großen Burgstraße, über den Koberg, die Breite Straße hinauf zum Marktplatz, auf dem sich die Menge sammelte. Wiederum ergriffen Finck und Vertreter des AStA das Wort an die Studenten. Man sei zunächst einmal froh, dass so viele sich auf die Schnelle für die Protestaktion begeistern konnten, dürfe diesen Kurs nicht aufgeben, glaube an noch sehr viel mehr Kraft der Studierenden, sich gegen die Pläne des Landes stark zu machen, und müsse jetzt die nächsten Schritte planen.

Zu aller Überraschung gesellte sich nun auch der Bürgermeister Bernd Saxe zu der Menge, um ebenfalls das Wort an sie zu richten. Die Bürgerschaft stehe GESCHLOSSEN hinter seiner Uni und werde dies auch der Landesregierung in einer außergewöhnlichen Sitzung der Bürgerschaft in Kiel im Gespräch mit dem Ministerpräsidenten des Landes Schleswig-Holstein, Peter Harry Carstensen, mitteilen. Eins wurde an diesem Abend mehr als deutlich: Lübeck wird sich nicht kampflos dieser unverschämt dreisten Sparpläne des Landes ergeben, sondern hält zusammen und fährt die Geschütze aus. Liebe Landesregierung, zieht euch warm an, denn Lübeck kommt nach Kiel und Lübeck kämpft für seine Uni!

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12 Kommentare
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  1. Sehr guter Artikel, danke!

    Allerdings kündigte die Bürgerschaft in erster Linie eine _außerordentliche_ Sitzung im Kieler Landeshaus an; außergewöhnlich sei sie indes aber trotzdem, denn laut Bürgermeister Bernd Saxe habe es sowas das letzte Mal vor ca. 850 Jahren gegeben.

    Lübeck kämpft!

  2. Klasse Aktion!!! Wenn das so weitergeht und auch in anderen von der Giftliste betroffenen Städten so läuft, sollte es doch möglich sein, eine Landesregierung, die jetzt schon nur eine Stimme Mehrheit im Landtag hat, zu kippen.

  3. @Klaus Steinfelder: Und dann? Ich denke, ihr habt verstanden, dass gespart werden MUSS! Auch eine Regierung aus anderen Parteien müsste sparen. Klar muss man drüber reden wo, aber viel Raum gibt es eben nicht mehr

  4. Super Artikel!

  5. Ich bin froh, dass es couragierte Menschen gibt, die einerseits den ungeheuren Stress eines interdisziplinären Studiums auf sich nehmen und dabei an einer Universität studieren, die die Maßstäbe sehr hoch setzt um letztendlich Mediziner hervorzubringen, die dann in der Lage sind, den Menschen die Behandlung zuteil werden zu lassen, die dem heutigen wissenschaftlichen Stand entspricht. Hierbei ist es wohl eindeutig, dass die Motivation angesichts der allumfassend geregelten Verdienstmöglichkeiten, die in Relation zur Verantwortung absolut lächerlich sind gegenüber den Möglichkeiten einer spekulativen freien Marktorientierung, sich aus einer anderen Quelle speist. Und was ist der Mensch ohne seine Gesundheit in einer Zeit, die die New Public Health hochwissenschaftlich preist, wo Leistung, Mobilität und Flexibilität einem Jeden abverlangt wird? In der Charter von Tallin haben sich die Staaten verpflichtet, ihre Gesundheitssysteme entsprechend auszurichten und aufzustellen, geht das ohne gut ausgebildete Mediziner, die auch noch nicht monetär motiviert sind? Der Staat muss sparen, an der Volksgesundheit? An der Bildung? Wie überall dem Zeitgeist entsprechend werden Entscheidungen offenbar nur noch kurzsichtig und spontan getroffen, entweder nach dem Motto I want it all, I want it now, oder nach dem Motto was kümmert mich mein Geschwätz von gestern. Bei aller salutogenetischen Notwendigkeit zur spontanen Lebens- und Entscheidungslust sollten gewisse Prioritäten langfristig gewahrt bleiben, und das sind in diesem Land nun einmal Bildung, Bildung und nochmals Bildung, und zwar auf einem hohen Niveau! Dr. Kubicki täte gut daran, dieses im Auge zu behalten, es sei denn er hat Gefallen gefunden an den staatspolitischen Ethiken des Augustinus, aber warum nur nimmt er dann die Rolle des Bösen an?
    Liebe Studenten, kämpft um eine gute Universität. Kämpft um Euer Recht auf Bildung. Kämpft darum, dass in den politischen Köpfen die Prioritäten wieder mit Moral und Ethik bestrichen werden mögen! Die Aktion war gut, sehr gut, friedlich und energisch, sachlich und mehrheitlich getragen, organisiert und zielgerichtet. Hut ab und weiter so!!

  6. Wenn ich mich nicht irre, ist das doch die einmalige Gelegenheit, einen Bildungsprotest auf mehrere Ebenen auszuweiten. Sucht den Schulterschluss mit den DirektorInnen, den ProfessorInnen, den KommunalpolitikerInnen…Kliniken, niedergelassene Ärzte, Lehrer, alle sind ja betroffen. Ihr habt wirklich die besondere Chance den Protest auszuweiten. Das heißt aber auch: Lasst euch NICHT einengen, wenn es um die Kritik an der Bildungspolitik geht. Lasst euch nicht (auch wenn das schwer fällt) nur auf die Frage: “Medizinstudiengang an der Uni Lübeck muss weg?” beschränken.
    Und zum Schluss, LASST EUCH NICHT VERARSCHEN! Der Hr. Ministerpräsident hat zwar massive Bedenken am “Gesetz zur Beschleunigung des deutschen Wirtschaftwachstums” gehabt, dennoch war er das Zünglein an der Waage und hat zugestimmt. Der Hr. Ministerpräsident war es also der auf hunderte Millionen Euro verzichtet und jetzt anfängt eure Uni zu verkaufen. Ihr wisst das sowieso besser als ich. Aber lasst euch nicht über den Tisch ziehen. Die Ungerechtigkeit solchen politischen Handelns nötigt euch ja geradezu sich diesem Sparzwang NICHT zu unterwerfen (soviel zu Philipp). Ihr könnt und müsst im Grunde ein Zeichen setzen, dass an Bildung ncht gespart werden darf, schon garnicht für fragwürdige Bundesgesetze.
    Entschuldigt die vielen Imperative, diese sind höchstens als Gedankenanstöße gedacht.
    In solidarität aus heidelberg!

    PS:Gebt Infos weiter zu bevorstehenden Protestaktionen.

  7. Übrigens: Schaut mal nach wofür in Schleswig-Holstein so Geld ausgegeben wird…
    Eine halbe Million für neue Polizeidienstwaffen bspw….jedes Jahr mehrere Millionen für neue Polizei”sonder- und spezialfahrzeuge” (bspw. Wasserwerfer) und neue Dienstfahrzeuge.
    Allgemein sollen die Zahlungen für tausende Dienstfahrzeuge in den kommenden Jahren erst fällig werden.
    Zum Vergleich: 2010 wurden 200 dienstfahrzeuge fällig…
    Die Uni bringt ja auch nur 150 Millionen bis 2020. Das sind 15 Mio jährlich um Schnitt. In den Haushalten gibt es Potenzial, denke ich. Oder anders gesagt “Kein Geld” ist relativ…

  8. 100000€ 2009
    125000€ 2010 für das SEK?

  9. Kann jemand bitte eine UNTERSCHRIFTENAKTION starten?
    Ich bin sicher, dass 200.000 Lübecker nur darauf warten, etwas zu tun.

  10. Ich dachte seither, daß die schwäbische Landesregierung der Meister im Sparen an der falschen Stelle ist, so nach dem Motto, zum Autobauen braucht man keine Bildung.
    Aber sie haben ja ihre Meister da oben an der Wasserkante gefunden!
    Da bricht ja ein guter Teil der Bildungsrepublik weg und die Nordlichter gehen aus!
    Ich denke, das wogegen ihr streitet, das kommt auch auf uns im Süden nach der Landtagswahl zu. Finanzkrise läßt grüßen.
    Viel Erfolg bei euren Aktionen gegen die Schließung der Uni wünscht euch
    Christoph Tessmer, aus dem tiefen Süden der Republik und Vater einer Medizinstudentin der Uni Lübeck.

  11. Das habt Ihr gut gemacht! Wir Alumni werden auch alles, was in unseren Kräften steht, unternehmen,
    um das Kabinett zu Beseitigung ihres verhängnisvollen Planes der Liquidierung des medizinsichen Studiengangs zu bewegen.
    Bitte informiert uns, wenn Ihr weitere Unterstützungen braucht.
    Prof. Dr. med. Diedrich Dieckhoff
    1. Vorsitzender Alumni Lübeck

  12. Gelungene Aktion der Demonstranten, die spontane Gegenwehr organisierten. So funktioniert auch Demokratie. Man kann den Demonstranten nur Erfolg wünschen.
    Guter Artikel darüber, auch wenn die Verwendung des Begriffs “Mob” für die Menge der Demonstranten einen absoluten Fehlgriff in der Wortwahl darstellt.