Wider den Reflex, das sinkende Schiff zu verlassen.

2. Juni 2010 | Von Thomas Kötter | Kategorie: Meinung | Letzte Änderung: 2. Juni 2010 um 14:14 Uhr

Ob unbeabsichtigte Nebenwirkung oder wohl kalkulierter Effekt: die Ankündigung der Landesregierung, die Uni Lübeck de facto abzuwickeln, hat ihr bereits jetzt eine blutende Wunde zugefügt. Während der Kampf um den Erhalt sofort gut angelaufen ist und sich trotz der demotivierenden Äußerungen u.a. des Wissenschaftsministers auch kleine Silberstreifen am Horizont abzeichnen, also ein berechtigter Grund zur Hoffnung besteht, denken zahlreiche Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiter im Stillen bereits über ihren Weggang nach. Wozu noch mit großem Aufwand neue Projekte beantragen, wenn nicht klar ist, ob diese hier jemals zuende geführt werden können? Werden DFG und andere Geldgeber nicht ohnehin die Pläne der Landesregierung bei der Entscheidung über laufende Anträge bereits im Hinterkopf haben? Wäre es nicht schlauer, man orientierte sich bereits jetzt woanders hin, zwecks gesicherter Zukunfsperspektive?
Als der Leiter des Institutes, an dem ich arbeite, am Dienstag zur außerordentlichen Institutsversammlung rief, erwartete ich eine motivierende Einschwörung auf einen – möglicherweise erfolglosen, jedoch a priori absolut nicht aussichtslosen – Kampf um den Erhalt unserer Universität. Stattdessen prognostizierte er, der Kampf werde ohnehin nicht erfolgreich sein und selbst wenn – die Uni sei bereits tödlich verwundet und werde einfach ausbluten. Quintessenz: rette sich wer kann, wer nicht aus eigener Kraft kann, dem werde er dabei helfen. Und er hat damit laut gesagt, was andere nur denken.
Aus mehreren Gründen ist dieser Reflex, das vielleicht sinkende Schiff zu verlassen, jedoch falsch und kontraproduktiv:

  • Wir sind stark: 2005 waren wir bereits einmal an einem ähnlichen Punkt. Wir haben gekämpft und hatten Erfolg. Die Uni ist daraus innerlich gestärkt hervorgegangen. Die schnelle Reaktion auf die Bombe von letzter Woche wäre sonst niemals möglich gewesen.
  • Wir haben Aussicht auf Erfolg: Der Protest ist mehr als das letzte Aufbäumen der verwundeten Uni, wie es in den Medien zum Teil dargestellt wird. Er ist gut organisiert, wir haben unzählige Unterstützer, das Feuer unter dem Kessel brennt lichterloh. Die Argumente sind stichhaltig und werden selbst den stursten Politiker früher oder später zum Nachdenken bewegen.
  • Wir haben Zeit: Selbst bei Eintreten des worst case könnte an der Uni Lübeck noch Jahre lang erfolgreich studiert, geforscht und gelehrt, promoviert und habilitiert werden, der Laden würde nicht nächstes Jahr dicht gemacht.
  • Wir sind die Uni Lübeck: Man findet hier wohl kaum einen Studierenden, Mitarbeiter oder Professor, der von sich behaupten würde: “Ich könnte genauso gut woanders studieren bzw. arbeiten und leben.” Die Uni Lübeck ist nicht einfach austauschbar – sie ist einzigartig.

Deshalb lohnt es sich, zu bleiben und zu kämpfen. Deswegen “werden wir das schaffen” (P. Dominiak).

3 Kommentare
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  1. Ich hoffe, dass es nicht dazu kommt, sondern der Landesregierung gezeigt wird, dass Schleswig.Holstein und Deutschland insgesamt nur eine Zukunft hat, wenn wir eine geistige Elite mit Visionen ausbilden. Dazu gehört auch die anerkannte Ausbildung an der Medizinischen Universittät und ihre Kooperation mit den Unternehmen der Medizinwirtschaft.
    Verhindert, dass Schleswig-Holstein wieder einmal seine geistige Elite verliert. Zukunft und Sicherheit gibt es nur durch Bildung in Deutschland und nicht durch die Bundeswehreinsätze zur Sicherung unserer wirtschaftlichen Interessen in Afganistan etc..
    Wenn Herr Cartensen zur Bürgerschaftssitzung in Lübeck ist, sollte ein Generalstreik ausgerufen werden und sein Weg zum Rathaus mit Menschenketten gesäumt sein. Herr Carstensen würde so deutlich gemacht werden, was Lübeck erwartet, wenn er uns die Universtität nimmt.

  2. Nachdem sich abzeichnet, dass die ersten Professoren Lübeck verlassen wollen, sollte in Lübeck von der kommen Woche an, zunächst einmal zu einem Generalstreik aufgerufen werden, damit der Landesregierung gezeigt wird, was diese Entscheidung bedeutet. Mit jeder weiteren Woche, in der die Entscheidung aufrechterhalten wird, sollte ein Streiktag dazu kommen. Die wirtschaftlichen Verluste dieser Streiks wird beiweitem nicht so hoch sein, wie der wirtschaftliche Schaden für die Stadt Lübeck bei Schließung der Uni.
    Leider kann dieser Lügenregierung nicht anders gezeigt werden, wo sie hingehört.

  3. Hallo, Thomas !

    Deine Worte in Gottes Gehörgang !

    Leider spielen in der ganzen Causa wirtschaftliche Gesichtspunkte eine Rolle, die wir als Kämpfer für die Uni wohl (noch) nicht überschauen.
    Im Hintergrund werden Fäden gezogen , wohlmöglich ausserhalb Schleswig-Holsteins – Ziel ist die Konsolidierung der Kliniklandschaft im Norden bei gleichzeitiger Entlastung der öffentlichen Hand. Eine Win-Win-Situation für diejenigen, die mächtig sind.

    Auch ist der “homos oeconomicus” nicht nur ein Konstrukt aus der Lehre, jeder begehrter Forscher des UKSH muss und wird sich bei Zeiten neu orientieren. Wie zu hören ist, geschieht das auch schon sehr erfolgreich…

    In meinen Augen ein geschickter Schachzug der Landesregierung, erst mal Zeit ins Land bis zu einer endgültigen Entscheidung vergehen zu lassen. Ich bin mal gespannt, wie viele Institute bzw. Kliniken ab Oktober ohne Ordinariat auskommen müssen.

    Die Niederlage des Campus HL und damit auch der Uni hat in meinen Augen 2005 begonnen, als sich der weitreichenden Fusion mit der Kieler Fakultät widersetzt wurde. Was aus damaliger Sicht richtig und wichtig gewesen ist, erweist sich jetzt als zentraler Schwachpunkt. Die Verluste des Klinikums sind nicht von der Hand zu weisen – einer vefehlten Gesundheitspolitik sei “Dank”. Die Entscheider nähren sich an der Brust der Lobbyisten.