Jahresempfang mit Besuch der Landesregierung

14. April 2011 | Von Susanne | Kategorie: Berichte, News | Letzte Änderung: 14. April 2011 um 19:07 Uhr

Fast ein Jahr ist es her, dass die Haushaltsstrukturkommission die Sparpläne für Schleswig-Holstein vorgelegt hat. In dem Jahr ist viel passiert: Erst die Demos und der Kampf, dann wurde Lübeck zur Stadt der Wissenschaft 2012 erkoren. Am gestrigen Mittwoch fand nun der Jahresempfang der Uni statt, ein üblicherweise festlicher Anlass, mit trockenen Reden und trockenem Wein.

Gestern jedoch war ein gewisses Spannungspotential in der Luft. Der ursprünglich angekündigte Ministerpräsident Peter Harry Carstensen, der die Grußworte der Landesregierung überbringen sollte, musste zwar kurzfristig absagen, an seiner Statt gab sich aber der uns nur zu gut bekannte Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, Jost de Jager, die Ehre. Und so verwunderte es wohl niemanden, dass nur die Hälfte des Auditoriums Anzug trug, die andere Hälfte war traditionell gekleidet: In Gelb.

Die Einleitung gaben die Salt Peanuts, die Bigband der Lübecker Hochschulen, mit “Big Spender” was den Präsidenten Prof. Peter Dominiak als Ãœberleitung nutzte und damit seine Begrüßungsrede begann. Während man anfänglich noch hoffen konnte, die Bezeichnung “Big Spender” für Jost de Jager sei Ironie, ergab sich aus Dominiaks Rede schnell: Die Unileitung versucht jegliche Konfrontation zu vermeiden und ist wieder auf Du und Du mit der Regierung. Im Folgenden das übliche Prozedere. Der Begrüßung der Ehrengäste und Anwesenden folgte ein Rückblick über das vergangene Jahr, über Höhen und Tiefen. Gelobt wurde das Geomar-Institut in Kiel, das die Einsparung des Geldes für unsere Rettung erst ermöglichte. Gelobt wurde auch die Landesregierung und die Stadt für die gute Zusammenarbeit, insbesondere auch, was die Verleihung des Titels “Stadt der Wissenschaft” angeht. Er betonte noch einmal das Engagement der Studenten, hob auch hervor, dass damit viele Erstsemester an die Uni geholt werden konnten, bedauerte jedoch auch, dass gleichzeitig bei den Wissenschaftlern habe eingebüst werden müssen. Alles in allem wenig Neues, aber dem Anlass gut angepasst.

Der zweite Redner war der, auf den alle warteten. Er war auch der Grund, weswegen bereits am Vortag Polizeihunde auf dem Campus gesichtet wurden und bereits eine Stunde vor Beginn der Veranstaltung alle Eingänge des Hörsaalgebäudes mit Zivilpolizei besetzt waren. All diese Maßnahmen seien nicht gegen die Aktionen der Lübecker Studenten, so ein Polizist. Vielmehr sei das der Schutzumfang, der derzeit jedem Politiker ab einer gewissen Ranghöhe zustünde. Der Weg des Ministers zum Rednerpult wurde von eisiger Stille begleitet. Die einzige Bewegung im Saal war die der Studenten, die einen stillen Protest vorbereitet hatten. Kurz zuckten die Zivilpolizisten, bereit, jeden Aufstand zu unterbinden. Doch dann ließen sie die Studenten gewähren. Wie Mahnmale standen vier Studenten mit zwei Bannern neben dem Politiker. Zu seiner Rechten: “Schlüsselqualifikation Beratungsresistenz, Ihre Landesregierung”. Zu seiner Linken war ein Diagramm, das Niveau aufgetragen gegen die Zeit und Griechenland zum Vergleich: Während Griechenland – das im vergangenen Jahr allzu oft als Referenz für die finanzielle Lage des Landes herhalten musste – auf einem konstanten Niveau blieb, fiel Schleswig-Holstein konstant ab – so weit sogar, dass am unteren Ende des Banners einige Blätter angeheftet werden mussten, um die Kurve komplett abzubilden. Auch von der Empore wurden zwei Banner im traditionellen gelb herab gelassen. “Lübeck kämpft für seine Uni” war zu lesen und daneben: “mit Kiel und Flensburg”. Gleichzeitig begannen vier Studenten, Flyer in die Reihen des Auditoriums zu reichen, mit dem Aufdruck des alten Logos und einem Ãœberdruck, sodass “Ich kämpfe für mehr Bildung” zu lesen war.

Die Proteste, sie waren nicht nur, um das letzte Jahr anzumahnen. Viel mehr sollten sie der Landesregierung zeigen: “Wir haben so lange ein Auge auf euch, bis ihr kapiert, was Bildung wert ist.” Denn während Lübeck nun endgültig gerettet scheint und sich alle Beteiligten wieder lieb haben, geht das Einsparprogramm in Flensburg erst so richtig los. Dort soll an den Wirtschaftswissenschaften gespart, die Fakultät geschlossen und Studienplätze abgebaut werden, wo doch eigentlich Plätze 1200 zusätzliche Studenten geschaffen werden sollten, die den Doppeljahrgängen und der Abschaffung der Wehrpflicht geschuldet sind. Doch dafür will die Landesregierung offensichtlich nach wie vor kein Geld in die Hand nehmen und sieht in der Bildung nach wie vor Einsparpotential.

Minister de Jager verhaspelte sich kurz zu Beginn seiner Rede. Doch dann fing er sich und spulte das Standard-Politiker-Repertoire herunter: Eine Ehre hier zu sein, die besten Wünsche der Regierung, tolle Zusammenarbeit, engagierte Stadt mit Durchhaltevermögen. Auch auf das studentische Engagement ging er ein, denn “das hat dazu geführt, dass Frau Krause heute eine Ehrennadel bekommt. Und das gönne ich Ihnen, Frau Krause.” Für wie bare Münze man das nehmen mag… es bleibt fraglich.

Abwechslungsreicher war da schon die Rede von Bernd Saxe, dem Bürgermeister. Er, der es bereits vor Beginn der Veranstaltung vermied, auf einem Foto mit de Jager abgelichtet zu sein, stieß nicht in das gleiche Horn wie seine Vorredner. Zwar zeigte auch er sich erfreut darüber, dass seine Stadt im kommenden Jahr der Wissenschaft gewidmet ist. Doch schien er eine der letzten Verbliebenen neben den Studenten, die sich an die Ereignisse des vergangenen Jahres erinnern konnten: “Es ist bereits das achte oder neunte Mal, dass ich hier sprechen darf. Aber es ist das erste Mal, dass ich hier spreche, ohne dass akute Not besteht”, begann er seine Rede. Er lobte die Studenten dafür, dass sie auch jetzt noch Position beziehen und hofft, dass nun auch alle gemeinsam nach vorne blicken können.

Ein neuer Einschub durch die Bigband – “I let a Songo out of my heart” – und die Veranstaltung konnte von den Grußworten zu den Ehrungen übergehen. Zunächst wurde Dr. Winfried Stöcker für den Aufbau der Firma Euroimmun und die enge Zusammenarbeit mit der Universität ausgezeichnet. Stöcker darf künftig den Titel “Honorarprofessor” für das Fach Labormedizin tragen.

Die zweite Ehrung ging an Linda Krause, die als AStA-Vorsitzende während “Lübeck kämpft” die Auszeichnung mit der Ehrennadel der Universität stellvertretend für die gesamte Studierendenschaft entgegen nahm. “Vor Stuttgart 21 war Lübeck kämpft”, beginnt Prof. Dominiak die Laudatio und erntet dafür großen Applaus. Der Kampf der Studenten sei lautstark, bunt, phantasievoll und kreativ gewesen und keiner Diskussion sei aus dem Weg gegangen worden, lobte er das Engagement. Dann bat er Linda auf die Bühne und steckte ihr die Nadel an. Sie wiederum ließ sich die Chance nicht nehmen, auch ans Mikrophon zu treten. In einer kurzen aber flammenden Rede lobte auch sie die Studenten, ließ Erinnerungen an das letzte Jahr wieder wach werden und verwieß noch einmal auf die Problematik, die sich jetzt in Flensburg stellt. Dabei beendete Linda ihre Rede mit Hoffnung auf eine bessere Zukunft: “Deswegen fordere ich Sie alle auf: Habt Ideen! Habt Ideen für unser Land! Habt Ideen für eine gute Zukunft!”

Ein Schlusswort, wie man es nicht besser hätte treffen können. Noch einmal bevölkerte die Bigband die Bühne, dann gab es die lang ersehnten Häppchen und das ein oder andere Gespräch von gelb Gekleideten und Anzugträgern.

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Ein Kommentar
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  1. Glückwunsch Linda!

    Gucken wir mal wann de Jager oder gar andere Landesvertreter wieder einen Vorstoß
    in Sachen Landesabbau betreiben.
    Meiner Meinung nach bedarf es Reformen die teils Bundesweit ansetzen müssen, um die bestehenden, systematischen Fehler endlich auszumerzen.
    Das Geld zum aufhalten von Krisen da ist, zeigen die Bankenkrise und der Euro-Rettungsschirm mit
    unzähligen Milliarden. Für die anhaltende Bildungskrise scheinen sich Politiker wie de Jager hingegen nicht zu interessieren. Was Geld betrifft, so habe ich gerade erst gelesen, dass jedes Land nach eigenem Ermessen Beamte für Steuerhinterziehung unterhalten muss, die eingenommenen Steuern aber an den Bund gehen. Die Kosten sind also ungleich verteilt und “Nutznießer” vermeintlich andere, so dass dem Fiskus schätzungsweise 30 Milliarden vorenthalten werden. Dies bemängelt auch die OECD.
    Interessant ist, dass gerade wieder Banken Nutznießer von laxen Kontrollen sind[1].
    Wäre das nicht mal eine Idee um den Status quo in SH zu retten, Herr de Jager?
    [1] http://www.zeit.de/wirtschaft/2010-07/oecd-deutschland-steuerpruefung